Keine zwei Verpflichtungen sind gleich – ebenso wenig wie zwei Menschen. Manch einer quält sich tagsüber durch berufliche Pflichten, übernimmt dagegen abends in seinem Verein freiwillig ein Ehrenamt mit umfassender Verantwortung. Wie kann das sein? Und wie können wir diese offensichtlichen Gegensätze transformieren und verstehen?
Lust oder Pflicht?
Hier finden wir zwei Prinzipien: Lust und Pflicht. Lust gibt uns Energie – sie hilft uns, eine Aufgabe verantwortungsvoll zu erfüllen. Pflicht hingegen löst einen Fluchtinstinkt aus – aufgrund dessen wir der Aufgabe intuitiv ausweichen wollen.
Verantwortung soll inspirieren und uns Kraft geben. Sie ist der Kern menschlicher Entwicklung. Bei Verpflichtungen ist unser Tenor vielmehr: Hauptsache fertig! Verantwortung können wir ablehnen – Verpflichtungen nicht.
Dieser Punkt macht Verantwortung zu einer grundlegenden Einstellung, einer Einstellung, an deren Ende eine Transformation von „Ich muss“ zu „Ich will“ entsteht. Eine dauerhaft positive Einstellung in Verantwortung umzuwandeln, braucht Zeit und vor allem Übung.
Sechs Stufen zu einem gesunden Verantwortungsbewusstsein
Die Transformation hin zu einem gesunden Verantwortungsbewusstsein verläuft in sechs Stufen, die durch unterschiedliche Haltungen gekennzeichnet sind:
Stufe 1: Verdrängung „Das darf doch nicht wahr sein.“
Stufe 2: Einen Schuldigen suchen „Wer hat mir das angetan?“
Stufe 3: Rechtfertigung „Es ist so, weil vorher dieses und jenes passiert ist.“
Stufe 4: Selbstvorwürfe „Ich bin selbst schuld. Hätte ich doch…“
Stufe 5: Selbstverpflichtung „Ich muss damit leben. Ändern kann ich es ohnehin nicht.“
Stufe 6: Verantwortung „Wenn ich schon muss, dann will ich auch…“
Aus der Ohnmacht befreien
Die ersten vier Stufen sind nicht durch Aktion gekennzeichnet: Wir denken, reden und weisen anderen die Schuld zu oder bemitleiden uns selbst. Aber erst auf Stufe fünf beginnen wir zu handeln. Wir spüren zwar noch den Druck der Verpflichtung, doch wir befreien uns auch eigenständig aus der Ohnmacht.
Erst auf der finalen, sechsten Stufe wollen wir die Situation aktiv kontrollieren und Verantwortung übernehmen – wir wollen sie geistig in Besitz nehmen und von innen nach außen agieren.
Um alle Schritte zu gehen, müssen wir üben – immer wieder üben. Wir müssen Situationen reflektieren und verstehen, dass es verschiedene Mindsets gibt: solche, die immer nur ausweichen und einen Schuldigen suchen und jene, die selbst aktiv werden und die Verantwortung spüren.
Das eigene Mindset reflektieren
Ein grundlegender Impuls ist, sich selbst beim Denken zu beobachten, das eigene Mindset zu reflektieren, den mentalen Zustand zu erkennen und loszulassen, um weiter machen zu können. Dabei helfen folgende Schritte:
- Sich beim Denken beobachten (Interessant!)
- Sich Erwischen (Bei „schwachen“ Momenten.)
- Loslassen (Es ist nur mental!)
- Sich selbst vergeben (Weiter machen.)
Können die Stadien übersprungen werden? Leider: nein. Es handelt sich um einen Kreislauf, der immer wieder durchlaufen werden muss.
Sei Dir sicher: Jeder kann diesen Kreislauf durchlaufen, vom Unbewussten ins Bewusste gehen und verinnerlichen, mentale Zustände zu steuern und letztlich Verantwortungsbewusstsein üben.
Selbstverantwortung als Schlüssel
Wir sollten nicht vergessen: All diese Anstrengungen drehen sich letztlich um den zentralen Kern der Selbstverantwortung. Nicht die Verantwortung für alles und jeden, sondern nur dafür, wie man selbst auf die Dinge zugeht und auf diese reagiert.
Verantwortung für etwas übernehmen kann uns Lust, Kraft und Energie geben. Sie kann uns mit einer Leidenschaft segnen, die uns hilft all ihre Möglichkeiten zu sehen und von innen nach außen zu handeln. Wir müssen uns nur aktiv dafür entscheiden, diesen Zustand erreichen zu wollen.
BGHW im Dialog
Über die Lust auf Verantwortung ging es auch in meinem Vortrag bei dem Online-Event „BGHW im Dialog“ am 24.11.2020. Sieh Dir hier den Zusammenschnitt an.